Mit dem Unimog in
Portugal
Ein Beitrag von Stefan Knopp und Tristan Brailey
Zuerst veröffentlicht in 2019 von Overland Europe
Eine Fernreise bringt für Sie und Ihr Fahrzeug teilweise hohe Anforderungen mit sich. Ein ganz besonderes Offroad Fahrzeug möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Den Unimog. Wer möchte ihn nicht als Basis für ein ExpeditionsÂmobil haben?
Kompakte Maße und Alleskönner in höchster Form, der Unimog von Mercedes-Benz. Was Defender und G-Klasse im Pkw-Geländewagensegment sind, ist der Unimog bei den Lkws — eine Legende. Jeder kennt ihn, der Inbegriff eines geländegängigen Trucks. Über Jahrzehnte hat er sich in militärischen wie zivilen Einsätzen einen Namen gemacht.
Mit einem U4023 geht es nach Portugal, zu einer weiteren Expedition von Lost Cultures, Forgotten Heroes. 7 x 2,48 x 3,60 m misst unser 231 PS starkes Testfahrzeug, das ein geräumiger Wohnaufbau von bimobil ziert. InsÂgesamt bringt das Fahrzeug ein Gewicht von beeindruckenÂden 9,8 Tonnen auf die Waage. Neben einer Wattiefe von ca.1,2 m und einer Bodenfreiheit von fast 50 cm verfügt er natürlich über ausreichende Rampen- und BöschungsÂwinkel. Auch steile Bergauffahrten von 45° nimmt er mit seinem Untersetzungsgetriebe ohne Probleme.
Stand der Technik sind eine gute, flexible Rückfahrkamera und der ausreichend große Bildschirm dafür im Deckenbereich des Beifahrers, sodass man beim Rangieren schnell einen Blick vom rechten Außenspiegel auf das Display werfen kann. Nachts vermisste ich allerdings Zusatzleuchten zum Ausleuchten der Rangierfläche.
Genug der trockenen technischen Daten. Der Tag ist gekommen, ich kann das Fahrzeug abholen. Da steht er und strahlt in Almandin-Rot metallic — ich freue mich wie ein kleines Kind an Weihnachten, als ich den Schlüssel übernehme. Nach einer ausgiebigen Einweisung sitze ich nun hinter dem Multifunktionslenkrad; die ISRI-Sitze sind schnell eingestellt. Mir fällt auf, dass die Sitzfläche auf den ersten Blick wenig Seitenhalt bieten. Mal sehen, wie sich das im Gelände auswirkt.
Das Armaturenbrett ist übersichtlich und klar struktuÂriert, alle Bedienelemente sind bequem erreichbar. Auffällig gut gefällt mir das Raumgefühl mit viel Kopffreiheit in der Fahrerkabine. Neben genügend Platz hinter den Sitzen befindet sich zwischen den Sitzen eine praktische Ablage. Optional kann man stattdessen auch einen dritten, allerÂdings nicht gefederten, Sitz ordern.
Schlüssel ins Zündschloss und Maschine starten. Der Euro 6 4-Zylinder der Baureihe OM 934 mit 900 Nm Drehmoment aus gut 5,1L Hubraum startet mit einem sonoren Klang. Ãœber den Wahlhebel des automatisierten 8-Gang-Schaltgetriebes wird der Gang vorgewählt und schon setzt sich der Unimog mit einem leichten Gasstoß in Bewegung. Zusätzlich bietet der Unimog die MöglichÂkeit, die Gänge manuell mit der Wippe, oder für schwierige Fahrsituation auch ganz manuell mit Kupplung, einlegen zu können. Dazu wird ein Hebel oberhalb des KupplungsÂpedals gezogen, das Kupplungspedal klappt runter und ist sofort funktionsbereit.
Die erste Fahrt führt mich durch die Münchener InnenÂstadt. Trotz — oder gerade wegen — der hohen Sitzposition behält man den Ãœberblick im Berufsverkehr und, dank der BI-LED-Scheinwerfer, auch den richtigen Durchblick. Weiter geht es rund 600 km über die Autobahn in Richtung Ruhrgebiet. Die Michelin XZL 356/80 R20 auf den zweiÂteiligen Hutchinson-Alufelgen mit Beadlock surren erst ab 90 km/h so richtig.
Bei dieser Geschwindigkeit überzeugt der Motor mit seiner Laufruhe, und dank Tempomat wird die Strecke ein Kinderspiel. Mit der Reifen- und GetriebeÂkombination sind bis zu ca. 110 km/h möglich, aber ich möchte ja reisen und bin nicht auf der Flucht.
Einen Tag später — auf nach Portugal. Wir fahren den ganzen Weg möglichst mautfrei auf Landstraßen durchs Hinterland. Hier zeigt der U4023 seine Dynamik in den Lastwechseln. Bei den Durchfahrten der kleinen Ortschaften in Frankreich wechsele ich in den manuellen Modus der Schaltung. Die Schaltzeiten werden zwar nicht kürzer, als Fahrer habe ich aber nun die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt der eigentliche Gangwechsel stattfindet und beuge so einem ungeplantem Drehmomentverlust vor. Vor allem in Serpentinen, auf Steigungen und bei Gefälle ist das von Vorteil. Ich gewinne ein Stück weit mehr Kontrolle über das Fahrzeug.
Seit jeher ist der Unimog ein EyeÂcatcher. Bewundernde Blicke von PasÂsanten und Menschen in Straßencafés folgen uns. Einmal wurde ich sogar an der Tankstelle gefragt, ob das Fahrzeug fotografiert werden darf. Nirgends ist man vor den Paparazzi sicher.
Nach drei Tagen erreichen wir das eigentliche Ziel, Portugal. Hier kann der Unimog seine Leistungsvielfalt abspielen. Ãœber Schotterstraßen geht es vorbei an alten Minen, entlegenen Orten und traumhaft schönen LandÂschaften. Einsame Strände erreiche ich mit eingeschalteter Front-, Mittel und Hinterachssperre. Der Wahlschalter hierfür befindet sich gut erreichbar in Griffweite am Armaturenbrett. Im tiefen Sand lasse ich den Reifendruck mit der Regelanlage Tirecontrol plus ab. Hierzu stehen drei vorwählbare Modi (Straße, Sand und Schlechtweg) mit jeweiligem GeschwinÂdigkeitshinweis zur Verfügung; bei Ãœberschreitung der Richtgeschwindigkeit erfolgt im Display eine entsprechende Warnung. Für besonders anspruchsvolle Situationen lässt sich der Reifendruck auch manuell einstellen. Im MittelÂdisplay wird Druck pro Reifen angezeigt.
Es wird sich noch zeigen, dass sich die TrockenübunÂgen gelohnt haben. Schneller als mir lieb ist. Nach all den Fahrten auf festem Untergrund und tiefem Sand ergibt sich endlich die Gelegenheit, in einer Flussaue den Unimog im Morast auszuprobieren. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Hinein ins Vergnügen und erst einmal das Gelände erkunden — Warmlaufen sozusagen. Nachdem ich verschiedene Geschwindigkeiten und FahrÂzeugeinstellungen ausprobiert habe, nehme ich jede Pfütze und kleine Seenlandschaft mit. Die 120 cm Wattiefe kann ich leider nicht ausreizen.
In den nächsten Tagen fahren wir vorbei an kleinen Fischerdörfern und einsamen Landschaften zu wunderÂschönen Stränden. Aus der Ferne hört man schon das Meer, jetzt muss ich nur noch einen Weg dorthin finden. Links ab vom Highway geht es erst über eine landestypisch gepflasterte Straße, immer dem Meeresrauschen entgegen. Plötzlich hört die befestigte Straße auf und es folgt TiefÂsand. Reifendruck ablassen und schon geht die Fahrt weiter. Nach einer Kurve öffnet sich dann der atemberaubende Blick auf einen glutroten Sonnenuntergang. Mehr kann man nicht wollen.
Resümee
Unimog
Zeit für das Resümee. Der U4023 ist die ideale AusÂgangsbasis für ein Expeditionsmobil. Mit seinem Radstand von 3,85 m ist der Klassiker höchst geÂländegängig (solange man physikalischen Gesetzen Beachtung schenkt). Während der Testfahrt benötigt der Unimog ca. 21L auf 100 km, trotz unterschiedÂlichsten Terrains. In jeder Fahrsituation hat man als Fahrer das Geschehen unter Kontrolle; allerdings könnte der SeitenÂhalt der Sitzflächen deutlich verbessert und dem Beifahrer eine zweite ArmÂlehne spendiert werden. Im Rahmen seiner Evolution wurde der U4023 für seine Einsatzgebiete immer weiter perÂfektioniert.
Kaum ein Fahrer wird je alle Grenzen eines Unimog freiwillig ausreizen — muss man auch nicht. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, mit dem Unimog weite Teile der Welt zu erkunden. Fahrspaß garantiert!